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Nukleare Sicherheit

Kerntechnische Anlagen, Stilllegung, Sicherheit, Störfallmeldestelle, nukleare Unfälle

Nukleare Sicherheit

Stilllegung kerntechnischer Anlagen

Luftaufnahme des seit 1995 in Stilllegung befindlichen Kernkraftwerks in Greifswald (KGR) Luftbild Kernkraftwerk GreifswaldLuftaufnahme des seit 1995 in Stilllegung befindlichen Kernkraftwerks in Greifswald (KGR) Quelle: EWN GmbH

Nach der endgültigen Abschaltung einer kerntechnischen Anlage schließt sich die Nachbetriebsphase an, während der Arbeiten zur Vorbereitung der Stilllegung durchgeführt werden. Die sich an die Nachbetriebsphase anschließende Stilllegung einer kerntechnischen Anlage erfordert ein umfassendes Genehmigungsverfahren, welches insbesondere Aspekte des Strahlenschutzes und mögliche Auswirkungen auf die Umwelt mit einschließt.

Nicht nur Leistungsreaktoren werden am Ende ihrer Betriebszeit stillgelegt, sondern auch andere Arten von kerntechnischen Anlagen mit einer Genehmigung nach § 7 Atomgesetz, wie Prototyp- und Forschungsreaktoren sowie Anlagen der Kernbrennstoffver- und -entsorgung. Das BASE führt Tabellen mit den in Stilllegung und in Betrieb befindlichen kerntechnischen Anlagen in Deutschland.

Im Atomgesetz (AtG) sind für die in Deutschland im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke individuelle Elektrizitätsmengen festgelegt, die die einzelne Anlage produzieren durfte, bevor ihre Betriebsgenehmigung erloschen ist.

Seit August 2011 hat das Atomgesetz zudem für alle Kernkraftwerke feste Abschalttermine bestimmt. Hieraus resultierten die schrittweise Abschaltung und Stilllegung aller Leistungsreaktoren in Deutschland.

Mit Ablauf des 15. April 2023 sind nun auch die letzten drei bis dahin noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke endgültig außer Betrieb gegangen.

Kontamination und Aktivierung

Ein im Schutzanzug gekleideter Mann trägt die Oberfläche der Wand ab Gebäudedekontamination durch OberflächenabtragArbeiten zur Gebäudedekontamination durch Oberflächenabtrag Quelle: EWN GmbH

Jede Anlage, in der mit radioaktiven Stoffen umgegangen wurde, ist mehr oder weniger mit diesen Stoffen kontaminiert, das heißt, es finden sich Reste dieser Stoffe

  • auf Oberflächen,
  • in Behältern oder
  • in Rohrleitungen.

Durch geeignete Dekontaminationsverfahren können diese Kontaminationen wieder entfernt werden. Dazu werden die betroffenen Oberflächen mechanisch oder chemisch abgetragen. Wenn dies erfolgreich ist, können die entsprechenden Stoffe als nicht radioaktives Material wiederverwertet oder beseitigt werden (vgl. Freigabe). Als radioaktiver Abfall fällt dann nur Abfallmassen von Oberflächenabtrag und ggf. erforderlichen Hilfsstoffe an.

Die Dekontamination bietet damit eine Möglichkeit das radioaktive Gesamtabfallaufkommen während der Stilllegungsphase einer kerntechnischen Anlage zu reduzieren.

Bei Reaktoren tritt zusätzlich die sogenannte Aktivierung der kernnahen Materialien auf. Das heißt, dass durch die Einwirkung von Neutronen während des Reaktorbetriebes ein sehr kleiner Teil des Materials selbst radioaktiv wird. Die Aktivierung betrifft das gesamte jeweilige Materialvolumen und ist deshalb nicht durch Dekontaminationstechniken entfernbar. Diese Teile werden als radioaktiver Abfall entsorgt oder mit dem Ziel der Aktivitätsreduzierung für eine bestimmte Zeit gelagert (vgl. Abklinglagerung).

Informationen zur Dekontamination

Was ist eine Dekontamination? Wird dabei Säure verwendet?Einklappen / Ausklappen

In Leichtwasserreaktoren kommt es im Primärkreislauf während des Betriebs zu einem Aktivitätsaufbau bei den Komponenten (z.B. Rohre, Pumpen), die mit Kühlwasser in Kontakt kommen. Dadurch erhöhen sich im Umfeld des Primärkreislaufs die Dosisleistungswerte. Dies bedeutet eine potentielle Strahlenbelastung für das in diesem Anlagenbereich tätig werdende Personal, weshalb seit über 50 Jahren weltweit die sogenannte (Primärkreis-) Dekontamination in Reaktoren zur Reduzierung dieser Aktivität durchgeführt wird.

Bei dieser Dekontamination werden Teile des Primärkreislaufs mittels qualifizierter Verfahren und spezieller Chemikalien, wie z.B. Säure, gereinigt. Dadurch kann die vorhandene Aktivität um mehr als 90 Prozent gesenkt werden. Die Intensität der Dekontamination und der hiermit verbundene Materialabtrag kann gesteuert werden und hängt u.a. davon ab, ob das AKW danach weiterläuft oder das AKW danach rückgebaut wird.

Warum wird vor dem Rückbau eine Dekontamination durchgeführt?Einklappen / Ausklappen

Zum einen wird mit einer Dekontamination die Strahlenbelastung für das Personal verringert. Zum anderen wird durch eine Dekontamination die Menge an radioaktivem Abfall reduziert, welche zwischen- und endgelagert werden muss.

Es liegt im Ermessen des Betreibers, ob er zur Vorbereitung des Rückbaus die Dekontamination des Primärkreislaufs einplant. Die Durchführung muss durch die gültige Genehmigung abgedeckt sein und wird aufsichtlich durch die zuständige Behörde überwacht. Somit kann eine Dekontamination während der Nachbetriebsphase des AKW - im Rahmen der Betriebsgenehmigung - vom AKW-Betreiber beauftragt werden. Die Dekontamination kann aber auch – nach einer entsprechend erteilten Genehmigung - während der Stilllegungsphase eines AKW stattfinden.

Findet die Dekontamination auch bei AKW im Ausland statt?Einklappen / Ausklappen

Bei der (Primärkreis-)Dekontamination handelt es sich um ein etabliertes Verfahren, das den Stand der Technik abbildet und seit über 50 Jahren weltweit durchgeführt wird. In manchen AKW wurde der Leistungsbetrieb anschließend fortgeführt, beispielsweise im schwedischen AKW Oskarshamn 1 oder im finnischen AKW Loviisa2. Zur Vorbereitung eines Rückbaus ist die Dekontamination beispielsweise im US-amerikanischen AKW Haddam Neck und in vielen deutschen AKW (z.B. Stade, Obrigheim, Biblis) durchgeführt worden.

Stilllegungsstrategien

Ein im Schutzanzug gekleideter Mann bedient eine Maschine zum thermischen Zerlegen eines Bauteils Thermisches Zerlegen eines BauteilsThermisches Zerlegen eines Bauteils in der Zentralen Aktiven Werkstatt Quelle: EWN GmbH

Es gibt verschiedene Stilllegungsstrategien: So können Anlagen

  • entweder direkt nach ihrer Abschaltung abgebaut
  • oder zunächst für einige Jahre sicher eingeschlossen werden, um vor dem nachfolgenden Abbau eine Reduzierung des Aktivitätsinventars durch radioaktiven Zerfall zu erreichen (sicherer Einschluss).

Das Atomgesetz fordert für Leistungsreaktoren, deren Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen ist, diese unverzüglich stillzulegen und abzubauen.

Stilllegungsstrategien können auch Mischformen aus diesen beiden grundlegenden Alternativen sein. So kann durch den Ausbau unzerlegter Großkomponenten, deren Zwischenlagerung und spätere Zerlegung der Stilllegungsablauf insgesamt optimiert werden.

In Deutschland ist bereits eine große Zahl von Leistungs- und Prototypreaktoren, Forschungsreaktoren und Anlagen der Kernbrennstoffver- und Entsorgung stillgelegt worden. Einige Anlagen sind bereits vollständig abgebaut worden, das heißt, die Anlagengebäude wurden abgerissen und das Anlagengelände wurde freigegeben und rekultiviert. Es liegen in Deutschland also praktische Stilllegungserfahrungen vor.

Leitfaden zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen

Für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen gibt es in Deutschland kein eigenes Regelwerk. Die Stilllegung wurde vielmehr in die nukleare Gesetzgebung integriert. Um eine Übersicht über die bei der Stilllegung zu beachtenden rechtlichen Aspekte zu geben, wurde der Stilllegungsleitfaden erarbeitet.

Interessenten können den Leitfaden zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau von Anlagen oder Anlagenteilen nach § 7 des Atomgesetzes im Handbuch Reaktorsicherheit und Strahlenschutz in der Rubrik "3 Bekanntmachungen des BMUV und des vormals zuständigen BMI" herunterladen.

Stand: 01.11.2023