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Nukleare Sicherheit

Kerntechnische Anlagen, Stilllegung, Sicherheit, Störfallmeldestelle, nukleare Unfälle

Nukleare Sicherheit

Nach Fukushima: Folgen für Deutschland

Luftaufnahme der Sprengung der Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Philippsburg Sprengung Kühltürme PhilippsburgSprengung der beiden Kühltürme des Atomkraftwerks Philippsburg im Mai 2020 Quelle: EnBW Daniel Maurer

Welche Folgen hatte die Nuklearkatastrophe in Fukushima für Deutschland? Die Ereignisse in Japan lösten eine gesellschaftspolitische Debatte über die weitere Nutzung der Atomenergie aus. Die deutsche Bundesregierung leitete nach dem katastrophalen Unfall im März 2011 umgehend das „Atom-Moratorium“ ein: In einem festgelegten Zeitraum von drei Monaten sollte die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke hinsichtlich Szenarien neu bewertet werden, die sich aus den Kenntnissen des Unfallverlaufs in Fukushima ableiten ließen.

Der Leistungsbetrieb der sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke wurde für diesen Zeitraum eingestellt. Ein achtes war zu diesem Zeitpunkt bereits vom Netz.

Für die Atomkraftwerke und auch für weitere Typen kerntechnischer Anlagen folgten umfangreiche Überprüfungen der Sicherheit und Robustheit. Auch das deutsche kerntechnische Regelwerk wurde überarbeitet.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungen in Deutschland nach Fukushima ist im Folgenden dargestellt.

Der deutsche AtomausstiegEinklappen / Ausklappen

Illustration eines Atomkraftwerks im Rückbau Illustration Rückbau AtomkraftwerkRückbau eines Atomkraftwerks Quelle: BASE / Michael Meier

In Deutschland hatte man bereits rund 10 Jahre vor dem Reaktorunfall in Fukushima den schrittweisen Atomausstieg beschlossen. Dazu wurde am 22. April 2002 - nach langen gesellschaftlichen Debatten - das Atomgesetz geändert.

Ziel war es, die Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden. Dazu wurden die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf eine regelmäßige Gesamtlaufzeit von ca. 32 Jahre begrenzt. Auch Neubauten von Kernkraftwerken waren seitdem nicht mehr erlaubt.

In den folgenden Jahren kam es aufgrund der verbrauchten Elektrizitätsmengen schnell zu ersten endgültigen Abschaltungen einzelner Anlagen. So wurden am 14. November 2003 das Atomkraftwerk Stade und am 11. Mai 2005 das Atomkraftwerk Obrigheim endgültig außer Betrieb genommen.

Verlängerung der Laufzeiten

Der Beschluss zu einem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2002 basierte damals jedoch nicht auf einem nachhaltigen politischen Konsens. So legte einige Jahre später im September 2010 eine neue Bundesregierung auch ein neues Energiekonzept vor. Dieses neue Konzept hielt zwar grundsätzlich am Atomausstieg von 2002 fest, stufte die Atomenergie nun aber als eine notwendige Brückentechnologie bis zum verlässlichen Ersatz durch erneuerbare Energien ein.

Daher wurden im Dezember 2010 in einer weiteren Änderung des Atomgesetzes die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängert und die 2002 festgelegten Elektrizitätsmengen erweitert. Alle anderen Festlegungen aus dem Atomgesetz von 2002 - wie z. B. das Neubauverbot für Atomkraftwerke - blieben bestehen.

Die Kehrtwende nach Fukushima

Unmittelbar nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 kam es in Deutschland zu einer weiteren Kehrtwende.

Bereits drei Tage nach dem katastrophalen Unfall - am 14. März 2011 - traf die Bundesregierung unter dem Begriff "Atom-Moratorium" eine Reihe politischer Entscheidungen.

Für die Atomkraftwerke und später auch für weitere Typen kerntechnischer Anlagen wurde eine umfangreiche Sicherheits- und Robustheitsüberprüfung - der sogenannte Stresstest - angeordnet. Gesellschaftlich stand zu diesem Zeitpunkt die Debatte um die Risiken der Atomenergie im Vordergrund.

Erneute Änderung des Atomgesetzes

Die Bundesregierung berief eine Ethik-Kommission ein. Sie hatte den Auftrag, über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland zu beraten. Die Ethik-Kommission kam zu dem Ergebnis, dass der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie innerhalb eines Jahrzehnts abgeschlossen werden könne.

Auf Basis dieser Einschätzung fand am 6. August 2011 noch einmal eine Änderung des Atomgesetzes statt: Die im Dezember 2010 erfolgte Laufzeitverlängerung wurde gestrichen und die ursprünglichen Elektrizitätsmengen aus dem Jahre 2002 wieder eingesetzt.

Für acht Atomkraftwerke wurde die Berechtigung zum weiteren Leistungsbetrieb bereits mit Inkrafttreten des neuen Atomgesetzes zum 6. August 2011 entzogen. Es betraf die Atomkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel. Danach wurden in den Jahren 2015, 2017 und 2019 auch die Atomkraftwerke Grafenrheinfeld, Gundremmingen B und Philippsburg 2 endgültig abgeschaltet.

Am 31. Dezember 2021 wurden die Atomkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf abgeschaltet. Damit war gut zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima vom 11. März 2011 der Atomausstieg in Deutschland fast vollständig realisiert.

Spätestens am 31. Dezember 2022 sollten die letzten drei Atomkraftwerke heruntergefahren werden: Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Aufgrund der Energiekrise beschloss der Bundestag für diese drei AKW einen befristeten Streckbetrieb und änderte dazu am 04.12.2022 das Atomgesetz. Demnach konnten die drei verbleibenden Atomkraftwerke noch bis zum 15. April 2023 weiterbetrieben werden und sind dann endgültig abgeschaltet worden.

Weitere Details zum deutschen Atomausstieg finden sich im Fachbericht des BASE „10 Jahre nach Fukushima - Sicherheit weiterdenken“.

Der Stresstest: Sicherheit deutscher AtomkraftwerkeEinklappen / Ausklappen

Außenansicht des Atomkraftwerks Grohnde Atomkraftwerk GrohndeDas Atomkraftwerk Grohnde wurde zum 31. Dezember 2021 abgeschaltet Quelle: BGZ mbH

Die Ereignisse von Fukushima lösten in Deutschland eine Folge von Untersuchungen hinsichtlich der Sicherheit und Robustheit von Atomkraftwerken aus.

Atomrechtliche Behörden weltweit waren sehr an der Ursachenanalyse des Unfallhergangs in Fukushima Daiichi interessiert. Nicht nur, um die Entwicklungen in Japan und ihre radiologischen Folgen - ggf. auch für das eigene Land - zu verstehen und zu bewerten. Auch die Frage der potentiellen Sicherheit der eigenen Atomkraftwerke musste geklärt werden. Der Unfall von Fukushima Daiichi war der erste dieser Schwere in einem Leichtwasserreaktor westlicher Bauart.

Vorgehen in Deutschland

Einer ersten anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) – einem Beratungsgremium des Bundesumweltministeriums – folgten weitere Untersuchungen zu der Robustheit der deutschen Atomkraftwerke: Der sogenannte Stresstest wurde durchgeführt. Dieser war eingebunden in das europäische Vorgehen zur Überprüfung der Sicherheit der Atomkraftwerke in der EU.

Basis für die Untersuchungen in Deutschland bildeten unter anderem die Empfehlungen der RSK und der Sachverständigenorganisation GRS.

Ergebnisse für Deutschland

Der deutsche Bericht zum EU-Stresstest zeigte auf, dass die deutschen Atomkraftwerke für die drei Schwerpunktthemen

  1. Externe Ereignisse
  2. Ausfälle von Sicherheitsfunktionen
  3. Notfallmaßnahmen bei schweren Unfällen

ein hohes Maß an Robustheit besaßen. Dies war auf ihre ursprünglichen Auslegung zurückzuführen sowie auf bereits in der Vergangenheit durchgeführte Nachrüstungen, insbesondere im Bereich der Notfallmaßnahmen. Der Bericht gab aber auch Hinweise auf weitere Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich des Notfallschutzes, denen die Aufsichtsbehörden daraufhin nachgegangen sind.

Zusätzlich zu den drei Schwerpunktthemen ging es in dem deutschen Bericht um den gegenseitigen Einfluss von Unfällen zwischen benachbarten Anlagen. Außerdem wurden die Aussagen der RSK zu zivilisatorischen Einwirkungen wie Flugzeugabsturz, Gasexplosionen außerhalb der Anlage und terroristischen Angriffen berücksichtigt.

Auch für die anderen kerntechnische Anlagen in Deutschland, wie Forschungsreaktoren, Anlagen der Kernbrennstoffversorgung sowie Zwischen- und Endlager für radioaktive Abfälle fanden entsprechende Stresstests statt und stellten auch für diese Anlagen ein hohes Maß an Robustheit fest.

Weitere Details zu den Überprüfungen der Sicherheit und Robustheit der kerntechnischen Anlagen finden sich im Fachbericht des BASE "10 Jahre nach Fukushima: Sicherheit weiterdenken".

Anpassung des kerntechnischen RegelwerksEinklappen / Ausklappen

Die nukleare Sicherheit in Deutschland wird durch zahlreiche Rechtsvorschriften und technische Regelungen gewährleistet. Die Genehmigungsinhaber deutscher Atomkraftwerke sind verpflichtet diese einzuhalten. Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden überprüfen mit Gutachterorganisationen die Einhaltung und Umsetzung der Vorgaben.

Die gesetzliche Grundlage deutscher Atomkraftwerke bildet das hierarchisch strukturierte kerntechnische Regelwerk. Übergeordnet und verbindlich sind das Atomgesetz und das Strahlenschutzgesetz, ergänzt werden diese durch Verordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften.

Das untergesetzliche kerntechnische Regelwerk konkretisiert die gesetzlichen Vorgaben und umfasst unter anderem

  • Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke
  • Bekanntmachungen des BMUV/BMI
  • Empfehlungen der RSK, ESK und SSK und
  • Regeln des Kerntechnischen Ausschusses (KTA)

Mit den Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke begann 2012 eine Modernisierung und Überarbeitung des bestehenden kerntechnischen Regelwerkes. Der anlageninterne Notfallschutz und das sogenannte gestaffelte Sicherheitskonzept wurden im untergesetzlichen Regelwerk umgesetzt und dabei Erkenntnisse aus dem katastrophalen Unfall im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi berücksichtigt. Der Notfallschutz wurde auch im Atomgesetz und Strahlenschutzgesetz gesetzlich verankert.

Auch Empfehlungen der RSK zur Erhöhung der Robustheit fanden Eingang in das deutsche kerntechnische Regelwerk, u.a. in KTA-Regeln. Viele Aspekte hatten bereits nach den Unfällen in den Atomkraftwerken Three Miles Island (USA) und Tschernobyl (Ukraine) Berücksichtigung gefunden und das kerntechnische Regelwerk musste nur geringfügig angepasst werden. Der Fokus lag insbesondere bei den Themen Erdbeben, Hochwasser, Bauwerksabdichtungen sowie Energie- und Medienversorgung. Wesentliche inhaltliche Änderungen mussten in den KTA-Regeln nicht vorgenommen werden.

Der Fachbericht des BASE zum 10. Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Fukushima liefert weitere Informationen zu der Anpassung des kerntechnischen Regelwerks in Deutschland.

Stand: 01.03.2024